Nachruf Prof. Werner Heise

Man erlaube mir den kleinen Exkurs weg von Automobilen, aber wie ich heute erfahren habe, hat uns am 21.02.2013 einer meiner Helden des deutschsprachigen Internets, Professor Werner Heise, verlassen.

Professor Werner Heise

Er war sicherlich eine Koryphäe in seinem Fach (Mathematik), aber darauf will ich gar nicht eingehen. Für mich war er einfach ein Meister des tiefsinnigen Schwachsinns, einer der sich und das Leben nicht so ernst genommen hat. Was Werner für ein Mensch war, möchte ich Euch an zwei Geschichten erklären.

Werner ist Autor des Buches “Einführung in die Kombinatorik”, das auch in der DDR verlegt wurde. Und Werner erlaubte sich den Spaß im Text anscheinend willkürlich ein paar Buchstaben fett drucken zu lassen. Las man die fett gedruckten Buchstaben hintereinander, ergab das den Satz “Nieder mit dem Sowjetimperialismus!”. Das flog irgendwann auf, daraufhin wurde das Buch aus allen DDR Bibliotheken entfernt, Werner wurde von der Stasi bespitzelt und von 1979 bis 1985 durfte er nicht in die Sowjetunion einreisen.

Er hatte die Angewohnheit bei seinen Vorlesungen mit 2 Overheadprojektoren zu arbeiten. Auf dem einen die aktuelle Folie, auf dem 2. die letzte Folie für Langsamschreiber. Am Anfang der Vorlesung war der 2. Projektor leer. Dort legte er immer eine Folie mit einem Bild von einer leicht bekleideten Brigitte Bardot auf. Als sich darüber Feministinnen aufregten, blieb er stur. Diese Marotte verhinderte eine Beförderung und brachte ihm einen Zeitungbericht (wir sind nicht sicher, ob in der BILD Zeitung oder der Coupé) ein mit dem Titel “der Porno-Professor”. Und wenn Werner Dir diese Geschichte erzählte, hatte er immer ein Grinsen im Gesicht. Ihm war das der Gag einfach wert.

Kennengelernt habe ich ihn über seine virtuelle “Blasted University of Laputa at Lagado (BULL)”. Basierend auf “Gullivers Reisen” von Jonathan Swift schuf er seine eigene virtuelle Welt, in der er seine Umwelt, politische Geschehnisse und seine Universität (TU München) auf den Arm nahm. Als z.B. einer seinen Doktortitel seiner Meinung nach vollkommen unberechtigt erhielt, vergab er auf seiner Homepage einen Doktortitel als automatischen Reply auf ein Kontaktformular.

Leider ist Laputa inzwischen offline, meiner Meinung nach gehört dieses Werk in ein virtuelles Museum.

Kennenlernen durfte ich Werner, der im Netz meist als “Lemuel” unterwegs war, auf einem Treffen der “Spaßwelle”, dem ersten deutschsprachigen Webring, den ich in den 90ern gegründet hatte. Auf dem Bild ist Werner ganz rechts zu sehen.

Abendmahl

Ich weiß nicht, ob es zu diesem Termin war, aber bei einem Zusammentreffen kam er mit einer Plastiktüte als Koffer – Aufschrift: “Eigentum der Universitätsklinik München” – er war frisch aus dem Krankenhaus entlassen. Auch persönlich war er einfach ein humoristischer Mensch, wobei man seinen Humor oft als pornokratisch (Zitat W.H.) bezeichnen konnte.

Werner war einer der Leute, die einfach positiv in der Ursuppe der privaten humoristischen Webschaffenden ganz oben trieben. Werner – wir werden Dich in guter Erinnerung behalten!

Links zu Professor Dr. rer. nat. Werner Heise:

– Interview mit dem Tagesspiegel

– Werner Heise bei Wikipedia

– Offizielle Traueranzeige

Danke an Wolfram Eder für die Genehmigung, sein Foto von Werner Heise für diesen Nachruf zu verwenden.

20 thoughts on “Nachruf Prof. Werner Heise

  1. Auch wenn ich ihn nicht persönlich oder überhaupt sonstwie kannte, möchte ich denen kondolieren, die ihn vermissen.
    So wie ich das sehe, läufst Du ziemlich in seiner Spur. Humoristisch und optisch.

    Adios
    Michael

    1. Werner war mein matheprof an der tu . Devise war man muß in der Prüfung Unterstützung geben. Hab ihm seinen angemalten vw abgekauft . Verhandlung 800 mit Verhandlung 500 ohne.
      Der netteste mensch den ich über mir hatte.
      Eine gute wolke fuer dich

  2. Hallo KLE,
    ich habe leider eben erst über Afra davon erfahren. Danke für den Text, besser hätte man ihn nicht beschreiben können.
    Werner war ein Original, wer ihn privat erlebt hat, wird ihn wohl nie wieder vergessen.

  3. Tief betroffen erfahre ich heute Abend beim Surfen vom Tode meines Weggefährten vergangener virtueller Tage. Kennengelernt habe ich Werner als “Dr. Konrad Duden” in einem Politforum, wo er mit sichtbar viel Freude und Beltzschem Sprachwitz die möchtegernpolitischen Beiträge so mancher Gutmenschen und Gutmenschinnen auf Rechtschreibfehler hin untersuchte, um diese dann zu entlarven und mit einem prächtig bösen Nonsenskommentar zu versehen. Mit Werner habe ich dann so manche virtuelle Schlacht in großartiger Leichtigkeit geschlagen… eine außergewöhnliche Zeit des Spiels mit dem Worte und Illusionen der Alltagsrealitäten.
    Gottlob hatte ich auch das Glück und die Gelegenheiten, den Vater von “laputa.de” dann auch persönlich kennenzulernen. Ich werde diese Zeiten nie vergessen…
    Der obige Nachruf ist sehr würdig und treffend geschrieben. Werner hätte sich sicher in seiner menschlich bescheidenen Art darüber verschmitzt und vielleicht auch etwas diebisch gefreut!

    Mach’s gut, lieber Werner! Ich behalte Dich sehr gern in Erinnerung!!

    Friedrich

  4. Ich hatte – obwohl Absolvent der TU München – erst über 20 Jahre später mit ihm Kontakt als Mitforist in einem mittlerweile geschlossenen Zeitungsforum einer Hamburger Zeitschrift.
    Er agierte dort als “Dr. Konrad Duden” und zeigte seinen etwas verqueren Humor, der nicht immer nur Freude erzeugte. Legendär jedenfalls waren seine Forumsduelle (Stichwort Lehrstuhl) mit einer ihm persönlich bekannten Sekretärin der anderen Münchener Uni.
    Wir kamen telefonisch in Kontakt und er machte auf mich einen gewitzten, streitbaren und doch sympathischen Eindruck. Er sprach mich gleich, obwohl doch um Einiges jünger, mit “Du” an (“Foristen sind per Du”).
    Zu seinem 65. Geburtstag gratulierte ich ihm und wollte mit ihm noch die “Bologna”-Studienreform diskutieren. Seine Antwort:”Lass´mich bloß mit dem Bologna-Sch….s in Ruhe” – ja so war er: Direkt und ehrlich. Und so unrecht hat er in Sachen “Bologna” auch nicht.

    Werner, Du wirst mir in guter Erinnerung bleiben. Ich fand es schade, dass ich ihn als Mathe-Professor um ein Semester verfehlt habe.

  5. Ich durfte Werner Heise Mitte der 70er erleben.
    Sein ganz besonderer Humor und sein liebevolles Wesen ließen sogar Zulassungsarbeit und mündliche Prüfungen zu positiven Erlebnissen werden.
    Lang lebe Laputa!

  6. Ich habe bei ihm Lineare Algebra gehört und besonders seine Weihnachtsvorlesungen brachten uns alle zum Lachen. Während der Semesterferien lief er mir in Bologna über den Weg, ich nahm ihn mit zu meiner italienischen Verwandtschaft und er parlierte in perfektem Iralienisch, geistvoll am capo tavola. Wir haben uns köstlich amüsiert.

    Schade, er war ein liebenswertes Original und ein hervorragender Mathematiker.

    Und…, danke für den kleinen Schubs beim Vordiplom.

  7. Ich habe erst heute durch einen Freund erfahren, dass Prof. Heise letztes Jahr verstorben ist. Er war ein toller und außerordentlich sympathischer Mensch – ich habe mich immer gerne mit ihm in der Magistrale der Fakultät für Informatik (selbes Gebäude, wie die Mathematik) an der TUM unterhalten.

  8. Heise ist Kult!

    Ich hatte von 1981 bis 1983 die Ehre – und damit das Vergnügen – bei ihm Analysis I – IV im Rahmen meines Informatikstudiums zu hören. Die Hörsäle S0314 und S0320 im (ehemaligen) Südgelände an der Gabelsberger Straße waren – im Gegensatz zu Linearer Algebra – immer übervoll, was an seiner unkonventionellen und überaus humoristischen Art gelegen hat und uns StudentInnen immer wieder zu wahren Beifallsstürmen hingerissen hat 🙂

    Mittlerweile sind wir eine Generation weiter und mein Sohnemann studiert Physik an der TUM. Durch Gespräche mit ihm und Recherche im WeltWeitenNetz bin ich auf diese Seite gestoßen und so habe ich erst heute erfahren, dass eine der schönsten Erinnerungen an mein Studium nicht mehr unter uns ist und nun somit eine Erinnerung – aber unauslöschlich – in meinen Gedanken bleibt.

    Chapeau und Danke für die schöne Zeit!

  9. Erfahre erst jetzt per Zufall, dass einer meiner Lieblingsdozenten nicht mehr unter uns weilt.
    Was war das für ein herrlich verrückter Typ, ohne jeden Dünkel!
    Offen, ehrlich, an der Sache orientiert und zu jedem Spaß bereit. Erinnere mich gern an die Doppelperücken-Vorlesung oder die winterliche, alkoholisch unterstützte Schneewanderung durch’n Deister mit Amplitudenverstärkung an maroden Bäumchen.
    Nur sehr wenig “Leerende” haben ihre Vorlesungen (auch) zum Amüsement der zu “Beleerenden” gestaltet – jedenfalls willentlich (die Unfreiwilligen zählen hier nicht)!
    Schade – und danke schön, dass ich diesen Kerl erleben durfte (Rip).

  10. R.i.p. Prof. Heise, es war wirklich etwas, was in Erinnerung bleibt, Ihre Vorlesung zur Informations- und Codierungstheorie, die wir im Rahmen unseres Informatikstudiums 87-93 besuchen durften.
    Sie waren immer im t-Shirt, weshalb ich dachte Sie wären viel jünger, habe heute zufällig diesen Nachruf entdeckt, wollte eigentlich nur Ihre Email Adresse googelt wegen einer Fachfrage…
    Gute Reise, blond viaggio!
    Tom

  11. Ich durfte bei ihm die Diplomprüfung im Nebenfach Mathe machen. Bei der Vorbesprechung zur mündlichen Prüfung drückte er mir 2 Bücher in die Hand und sagte: “Das lesen Sie, dann kommen Sie und dann bestehen Sie”. Das eine war sein Buch über die Codierungstheirie.
    Ich habe darin nur Bahnhof verstanden und habe Algebra dann gleich auch noch komplett weggelassen zum Lernen. Das hatte er nämlich noch nie gefragt vorher.
    Ein wenig Ausfragerei über sein Buch mit wenig überzeugenden Antworten meinerseit;. Dann wechselte er zu Algebra. Da sagte ich, dass ich das nicht gelernt hätte und er mir gesagt hätte das mit Lesen, Kommen und Bestehen. Er konnte sich nicht erinnern, fand aber meine Erklärung wohl cool.
    Ich bestand! Welch Wunder!

    Ja so war er.
    Übrigens: Keine der vielfach geworfenen Kreiden hat je jemanden 8n der Vorlesung getroffen!

  12. Schade um W.H.; im Informatikstudium durfte ich Anfang der 80er Analysis hören, und mit “durfte” meine ich wirklich “durfte”. Seine Reiseanekdoten in den Vorlesungen waren legendär (z.B. mit Trompete nach Berlin…). Auch wenn Analysis nicht mein Lieblingsfach war, W.H. konnte mir die Auseinandersetzung damit schmackhaft machen.

  13. Aus reinem Interesse besuchte ich um 1999 die Vorlesung zur Codierungstheorie bei Werner Heise. Es war eine der besten Vorlesungen meines Lebens. Endlich mal verstehen, wie eine ZIP-Datei funktioniert.
    Wir saßen in einem kleinen Raum mit vielleicht 5 Personen. Irgendwie habe ich im Kopf, dass hinten im Raum ein Sofa oder sogar Bett stand.
    Professor Heise wies uns darauf hin, dass er während der Vorlesung rauchen wird und wir durften auch rauchen, wovon wir gerne gebrauch gemacht hatten. Wir waren jung und es war 1999…
    Jetzt kam ich neuerdings wieder in Kontakt zur Codierungstheorie und musste an ihn denken. Gerne würde ich seine Laputa Webseite ansehen, aber noch nicht einmal in Archive.org findet man diese. Schade

  14. Wir waren zur gleichen Zeit wie Laputa mit Unfug im Netz unterwegs und haben damals von der freien Republik Laputa den Award „Das Gelbe vom Ei” verliehen bekommen: http://rasputin.cc/CF/
    Mann war das eine schöne Zeit.
    Wenn jemand Laputa.de gesichert hat und weiß, von wem man die Erlaubnis zu einer Wiederveröffentlichung bekommen kann, kann ich mich gerne mich um das Museum oder die Vitrine kümmern. Leider hab ich es verpennt, Laputa.de rechtzeitig lokal zu sichern, anders als bei bei vielen anderen Seiten. 🙁

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