Über die Kunst einen Minimalwagen zu fahren…

Die Temperaturen sinken, ich bin wieder im Alltag mit meinem 1990er Fiat Panda unterwegs.

Sackratte

Als ich mir die “tolle Kiste” letztes Jahr als Winter-/Zweitfahrzeug zulegt, stieß ich erst einmal komplett auf Unverständnis. Wie kann man als Autonerd sich das nur antun? Kommentare wie “KLE, das ist unter Deinem Niveau” waren nicht selten.

Gut, die Karre hat mich technisch lange genervt, bis sie einigermaßen vernünftig lief, aber das lassen wir jetzt mal beiseite. Auch, dass mein Fiat Panda komplett in Sackleinen gepackt ist – ein Aufwand, der im krassen Gegensatz zum Fahrzeugwert steht. Rational denkende Menschen werden das nie verstehen.

Der Auspuff klappert am Unterboden, der Leerlauf sägt etwas, die Schalter und Heizungsregler sind nicht beleuchtet. Die serienmäßigen Sitze (die ich gegen Ledersitze ersetzt habe) sind eine Zumutung, der Innenraum ist schlecht gedämmt und wo verdammt noch einmal sind außen Türgriffe? Sie gibt es nicht, eine Mulde in der B-Säule und ein Schloss zum reindrücken (das auf der Beifahrerseite klemmt) muss ausreichen.

Der Mensch ist sehr leidensfähig. Irgendwie gewöhnt man sich an all diese tollen Features, lernt sie zu ignorieren. Sie werden einem immer erst dann wieder bewusst, wenn ein Beifahrer, der das erste Mal mitfährt, darüber spricht.

Beschleunigung? Marginal vorhanden. Was kann man erwarten von 45 PS aus einem Liter Hubraum? Kastriert durch Umweltnormen etc. Das ist eben Fortschritt. Der alte Panda mit der 0,9l 45PS Vergasermaschine war spritziger.

Ich kurve mit dem Ding nicht nur durch die Stadt, ich fahre damit auch lange Strecken. Anfang Dezember steht Mainz-München auf dem Plan. Und ich habe da keinen Bammel vor. Reisegeschwindigkeit 130km/h sind drin, gut, am Berg weniger, aber sind wir mal ehrlich: Wie schnell fährt heutzutage die Masse auf deutschen Autobahnen? Dank der Spritpreise habe ich das Gefühl, dass heutzutage sehr viele viel gemütlicher auf den Autobahnen unterwegs sind. Mit 130km/h ist man heute deutlich öfter auf der linken Spur, als noch vor 10 Jahren.

Interessant sind die Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer auf die tolle Kiste. Es mag auch ein wenig an den 135er Winterreifen in Kombination mit dem ironisch gemeinten 75er Endrohr am Auspuff liegen, aber der Wagen zeichnet oft ein Lächeln auf das Gesicht neben einem stehenden Verkehrsteilnehmer an der Ampel. Besonders in der Kombination mit mir, einem gestandenen Mannsbild mit 2,04m Körpergröße am Steuer. Und das vor allem bei jungen Frauen. Ein echter Sympathieträger also? Im Kampf um Fahrspuren genau das Gegenteil. Man wird schlicht ignoriert, was kann diese Quetschkiste denn schon leisten? Man muss das mit Humor sehen. In so einer Minimalkiste kann man wirklich fast jeden anderen Verkehrsteilnehmer als Angeber beschimpfen.

Wenn ich in der Kneipe gefragt werde, was ich fahre, mache ich mir oft den Spaß und antworte erst einmal lapidar einen 23 Jahre alten Fiat Panda. Die anderen Karren, die bei mir noch rumstehen bleiben erst einmal unerwähnt. Die Reaktionen sind meist eine Mischung aus Unverständnis und Mitleid. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand meinte “ach wie cool”. Und die lächelnden Mädels von der Ampel lächeln irgendwie anders. Die tolle Kiste bringt nicht wirklich die Schnitten ans Gerät.

Letztendlich bedeutet es schon auch ein wenig Eier zu zeigen, um mit Überzeugung zu sagen: Ich fahre einen alten Fiat Panda und ich finde das irgendwie cool.

Der Verbrauch ist ok, die Steuer dank nachgerüstetem Euro 2 Kat und wenig Hubraum lächerlich, die Parkplatzchancen in der Stadt deutlich größer, er bremst lenkt, leuchtet und wenn ich ehrlich bin: durch die Go-Kart-ähnliche Lenkung macht er in der Stadt sogar ein wenig Laune. Er bringt mich ohne unnötigen Schnickschnack, wie elektrische Fensterheber, zweiten Scheibenwischer vorne, Türgriffe, Prestige, etc. in erträglicher Art von A nach B – prinzipiell würde ich sagen: mehr als einen ollen Fiat Panda braucht keine Sau.

12 thoughts on “Über die Kunst einen Minimalwagen zu fahren…

  1. Kann ich hundertprozentig so unterschreiben, kultig isser defintiv auch schon wenn man die Preisentwicklung anschaut.

    Ich bin gerne Panda gefahren, aber um ehrlich zu sein, mein derzeitiger UNO 1.0 ie kann vieles besser (bequem/Autobahn/Spritverbrauch), aber wenig schlechter (Parkplatzsuche ist trotzdem kein großes Problem.

  2. Schöner Beitrag, findet absolut meine Zustimmung.

    Ich fahre gerne auch mal ein jüngeres Auto mit Schnickschnack, aber meinen Volvo Amazon mag ich irgendwie lieber, Leerlauf unrund, kalt ruckelt er, man wird öfter geschnitten von den Leuten, die meinen, sie hätten nen tollen Sportwagen, aber hey, ich fahre mit ihm und ich finds toll.

    In diesem Sinne, weiterhin gute Fahrt.

  3. Der ist doch schön zerfusselt, was sollte es an der Karre auszusetzen geben?

    UNO ist tatsächlich ein brauchbares Auto, ich fand den auch recht gemütlich und fahrtauglich. Die gemütlichsten Sitze hatte bisher bei mir ein Renault 19 Mk2 – ein fahrendes Sofa mit sehr ordentlichem Durchzug für 88PS.

  4. Dieselben Storys erlebt und Sprüche angehört, wenn ich als genauso ein Auto-Nerd in den 80er/90ern mit meinen Winter-R4 unterwegs war. Ich mochte die Dinger, hatte 3 davon. Und bin auch überall angekommen….

  5. Mir fällt dazu nur ein:

    Ich muss kein altes Auto fahren….Ich kann!

    Im Alltag was Modernes, zum Spaß 2 x T3.
    Die meisten der modernen elektrischen Dinge braucht man auch nicht wirklich. Ich kann ohne Einparkhilfe einparken. Aber es gibt auch sinnvolles. Rückfahrkamera z.B.

  6. Hallo Bernd!
    Der wahre Luxus liegt darin, mehrere (unterschiedliche) Fahrzeuge zu besitzen. Auch wenn der einzelne Wert jedes Fahrzeugs sich durch Volltanken beträchtlich steigern läßt 😉
    Wenn kein böses Salz auf der Straße ist gucke ich nach oben (Wie ist das Wetter?), nach vorne (Wo will ich denn hin?) und nach unten (Was hab ich zu transportieren?) und gehe in die Garage und treffe ein Wahl: Kleinwagen (Seat Marbella), Spaßauto (VW Käfer), Luxuskombi (Volvo 960), Zweirad (div. Roller oder Motorräder aus D, I, J).
    Für andere dekadent, aber Euer Kopfschütteln ist mein Applaus (der Spruch ist nich von mir!).
    Gruß
    Markus
    dervomMultiwexelkennzeichenträumt…

  7. Immerhin kennen alle einen Panda.
    Wenn ich sag ich hab nen 55 Wide kann damit eigentlich niemand was anfangen.

    Immerhin sorgt der Microbus immer für lachende Gesichter und praktisch veranlagte Mädels finden den meist voll niedlich bis toll. Tussies können damit nix anfangen – das ist aber auch gut so.

    Mir gefallen kleine leichte Autos, erst recht an der Tankstelle.

    Mit meinem 1988er Wintercuore mit 44PS (Vergaser) und 595kg Leergewicht fühle ich mich in der Stadt und auf der Landstraßen nicht untermotorisiert und habe viel Fahrspass.
    Mehr als im BMW.

  8. Jay, total gut wie du das schreibst. Ich bin auch mal ne Zeit Marbella gefahren und muß zugeben daß so ne Kiste gerade weil sie so leer ist so viel Spaß macht. Die Leute die mich damals schon nicht verstanden haben tun es Heute auch noch nicht und haben selbst nie so ein Auto gefahren, da kann man natürlich immer gut argumentieren… Viel spaß noch mit der Kiste!

  9. der Panda ist cool, wir hatten auchmal einen in der Familie…
    und wenn man bedenkt, dass die Liegeflaeche bei original Bestuhlung groesser ist als in einem Camping-Bully, steigert das den Nutzwert doch enorm 😉

  10. Ich kann das auch komplett so unterschreiben. Mit meinem 45 PS Polo lässt sich im Düsseldorfer Stadtverkehr auch kein Blumentopf gewinnen, weder in der gesellschaftlichen Akzeptanz, noch in der Beschleunigung. Trotzdem will ich gerade jetzt im Winter in der Stadt nichts anderes fahren. O.K., ein Automatikgetriebe wäre schön…

    Gruß, wfe

  11. Jammern auf hohem Niveau 😉
    Immerhin hast Du den großen Motor!
    Meiner war gedrosselt, 25 PS und 0,65l Hubraum. Unschlagbar günstig im Unterhalt. Bergab mit Rückenwind kam er auch auf 130 km/h, bergauf war es unmöglich LKWs zu überholen…

    War aber schön, mal mit Dir mitzufahren! Ich konnte meinen nicht mit dem großen Zeh fahren 🙂

  12. Hatta schön gesagt.

    Ich kann das auch nicht mehr zählen, wie oft die sogenannten Normalos mich schon gefragt haben, wann ich mir endlich mal ein anständiges Auto kaufe.
    Ich hab bisher nur noch nichts finden können was an nem 87er Jetta unanständig is.
    Hab mir dann trotzdem mal noch n T3 gekauft. War auch nich richtig…
    Das soll einer verstehen

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