LowBudgetCar August 2015: Ingos Stricher

Als ich mir die Geschichte mit den Kisten ausgedacht habe, die maximal 1.500,- Euro gekostet haben dürfen, war einer der Hintergedanken, zu beweisen, dass man auch ohne viel Geld eine stylische Karre aufbauen kann. Und der 1976er Mercedes W115 200D von Ingo ist ein gutes Beispiel dafür. Und ein Auto, dass auch andere ohne meine teilweise verschrobenen Ideen im Kopf als kultig empfinden.

Stricher

Er ist der Schrecken der Landstraße. Der gute alte Strich Achter 200D. 55 Rassepferde nageln eher gemächlich vor sich hin. So ein Bauern-Diesel beschleunigt nicht, er nimmt Fahrt auf. Aber: Er ist relativ sparsam und einfach hart im Nehmen.

Ingo hat sich schon lange auf den /8 eingeschossen. Es parkt nicht nur dieses Exemplar in seiner Garage, aber es ist der einzige, der zugelassen ist. Sein erstes Auto war ein 250er Benziner – viel zu durstig für seinen jungen Geldbeutel, aber nachdem er ihn auf Diesel umgebaut hatte, wurde er damit glücklich – und quasi auch süchtig. Volltanken für damals 25,-DM und mehrere Wochen mobil sein mit einem fahrenden Wohnzimmer, das war eine tolle Sache.

Der Benz, um den es hier geht, wurde bei eBay versteigert und stand nicht weit weg. Er hatte zwar H-Kennzeichen, aber keinen TÜV mehr. Eher aus Langeweile kloppte Ingo einmal 1.002,- Euro in den Rechner – ohne den Wagen vorher angesehen zu haben. Er saß im Wartezimmer beim Zahnarzt, als er erfuhr, dass er für 1.001,- Euro ein Auto gekauft hatte. Versehentlich ein Auto gekauft. Ist mir ehrlich gesagt auch schon zweimal passiert.

Bei dem Preis rechnete Ingo mit viel, aber er war noch schlechter, als befürchtet, als er ihn letztendlich barg.

Stricher

Der Fachmann würde sagen: Substanziell tod. Schon lange zum /8 Kenner gereift, wusste er, wo er hingreifen musste. Wo die neuralgischen Roststellen sind und der Wagen hatte das volle Programm. Unvorstellbar, wie der Wagen den letzten TÜV geschafft hatte, auch das H-Kennzeichen war kaum zu rechtfertigen. Eigentlich ein typischer Schlachter. 9. Hand und wie er inzwischen weiß, hat die Karosserie 670.000km runter, die Maschine, die wohl aus einem älteren Modell stammt geht auch schon stramm auf die halbe Million zu.

Was machen mit dem Bock? Ingo hatte 2 Wochen Urlaub. Den ersten Tag nahm er sich zeit für eine genaue Bestandaufnahme, die darauf folgende Nacht schlief er schlecht, kam aber zum Schluss: Augen zu und durch. Man muss dazu sagen, Ingo ist vom Fach, schweißen kann er. Als her mit der Flex und den Gammel herausgetrennt.

Stricher

Er kaufte kein einziges Reparaturblech, sondern suchte alles zusammen, was eben so rumlag, wie Türen von einem ausgemusterten Stahlschrank. Schön dickes 1,5mm Blech. Und dann blitze es unentwegt. Er dengelte sich auch z.B. die Aufnahmen für das Lenkgetriebe aus dem Vollen. Heute ist das teilweise deutlich massiver als im Original.

Stricher

Dabei eliminierte er einige neuralgischen Rostnester, indem er Blechdoppelungen durch massives einteiliges Blech ersetzte. Es musste an den nicht sichtbaren Stellen nicht schön, sondern schön haltbar werden. Und er wusste, was er da macht. Ingo gibt offen zu, um die ursprüngliche Form von außen wiederherzustellen, war doch die eine oder andere Dose Spachtel nötig. Wir erinnern uns: Es wurde kein einziges vorgeformtes Blech verwendet.

Am Ende bekam der Wagen sein Lackkleid. Er hatte da ein paar Dosen geschenkten Kunstharzlack von der niederländischen Marine in RAL 7016 matt.

Stricher

Für den Aufbau brauchte Ingo gerade einmal seinen zweiwöchigen Urlaub – den aber in Vollzeit.

Am Motor hat er ein wenig seine Erfahrungen mit ollen Mercedes Dieseln ausgespielt. Papierluftfilter aus einem Citroen Belingo, 265er Flachzapfendüsen mit angepasstem Öffnungsdruck, Pumpe etwas gedreht, 240D Nockenwelle, Kraftstoffvorwärmung für PÖL Betrieb (der sich nicht mehr lohnt), abschaltbare Lichtmaschine und weiterer Quatsch, wie er es selbst nennt.

Die vollkommen durchgerockten vorderen Sitze ersetzte er durch Serie 1 Sitze aus einem Hanomag Feuerwehrökosandalenwohnklo, das Pseudo Sicherheitslenkrad der /8 Serie 2 ersetzt er durch ein weißes Exemplar aus der ersten Serie, das eben so rumlag.

Stricher

Gut, die Sitze haben nicht die passende Farbe, aber sie sind fit. Wer schon einmal auf einem kaputten Benzsitz mit dem Arsch Lambada getanzt hat, weiß, was intakte Sitze wert sind.

Ein paar Gimmicks durften noch sein. Das Taxischild fand sich auf den Flohmarkt.

Stricher

Die externe Kofferraumerweiterung, manche sprechen auch profan von einem Dachgepäckträger, hat er klammheimlich seinem Opa stibitzt.

Stricher

Stilgerecht sind die Alus. ATS Fuchsnachbauten in 7J15, die irgendwo noch rumlagen. Schwarz übergeblasen und mit 175/65 R15 besohlt. Die originalen Barockfelgen hatten serienmäßig übrigens nur 14 Zoll.

Seit 2012 hat Ingo mit dem Stricher ca. 42.000 pannenfreie Kilometer abgespult. Das einzige, was wirklich etwas nervt, ist der exorbitante Ölverbrauch von bis zu 1l auf 150km bei Vollgas. Die Maschine ist knochentrocken, wahrscheinlich sind die Laufflächen einfach verschlissen. Das wollen wir dem Motor bei einer Laufleistung von einer knappen halben Millionen Kilometern einmal zugestehen. Fast alle anderen Motoren hätten da schon lange den Schlappen in die Luft geworfen. Ingo denkt aber nicht einmal im Traum daran, deshalb die Maschine zu ersetzen. Für den Motor gibt es Laufbuchsen zum Einsetzen, die komplette Instandsetzung kostet ca. 350 Euro Material. Mit den Maschinen kennt er sich aus und wenn er den Motor selber überholt, dann weiß er was er hat. Ein gebrauchter Dieselmotor für den /8er Benz wird inzwischen auch mit 1.000,- Euro Plus gehandelt – und man weiß bei einer gebrauchten Maschine nie, ob sie nicht genauso fertig ist, wie die alte.

In diesem Sinne: Bitte einmal Öl nachfüllen und Diesel nachsehen!

10 thoughts on “LowBudgetCar August 2015: Ingos Stricher

  1. Jo, geile Karre, hat halt gerade beim Stricher vorteile wenn man Blechmässig vom Fach ist und sicher auch entsprechend ausgerüstet.

    Der Berlingo is aber eine von den Karren wo es vorne zieht und hinten dröhnt, und nich vom Kreatör de Automobiiiiil.

  2. Sehr, sehr schön! Erinnert mich an meinen eigenen Stricher (allerdings mit etwa 20 Jahren Verspätung). Ich bekam einen 240D 3.0 damals geschenkt, beim Blick auf den Unterboden war auch klar warum. Sah ungefähr genauso aus. Ebenfalls ca. 2 Wochen Hardcoreschweißen und der ging übern TÜV. Weichen musste er als die Dieselsteuer das Auto mit jeder Fälligkeit komplett entwertete.

    Viel Spaß an Ingo und allzeit gute Fahrt mit der “Rakete” 😉

    Wolfgang

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