Als ich mir meinen Audi 100 kaufte, war die Wunschliste, was ich noch so alles mal fahren wollte noch länger – obwohl. Nein, das ist falsch, auch wenn ich einige Wagen inzwischen abgehakt habe, es kommen ja leider immer wieder andere dazu.
Auf jeden Fall stand auf der Liste der Audi 100 Typ 43. Und es gab Zeiten, da bekam man so einen tatsächlich für n Appel und n Ei. In Zahlen ausgedrückt: 900,-DM. Und das mit ansehnlichem Rest-TÜV.
Es war sogar ein begehrter 5ender, genauer gesagt ein 5S, also mit Vergasermaschine, 4gang Schalter, Baujahr 1980 mit sehr überschaubarem Rost. Lediglich die hinteren Radläufe waren angefressen. Wer noch nie in einem ollen Audi 100 gesessen war – das ist durchaus eine stattliche Limo, man steigt auf vom Fahrer zum Kapitän auf. Geld für eine Mörderanlage hatte ich nicht. Ich klemmte einfach an das verbaute Radio 2 Aufbaulautsprecher und verklebte die mit Spiegelklebeband auf das leider an mehreren Stellen bereits eingerissene Armaturenbrett.
Leider sieht man das Radio nicht – das war noch eines mit links und rechts dem Drehknopf. Es fehlten so ziemlich alle Blenden, der Balken, der den Radiosender anzeigt, hing frei im Raum, die Skalierung fehlte. Aber es funktionierte. Das fand ich so grandios, daß ich es genauso lies und kein anderes Radio einbaute, obwohl ich noch so einige rumfliegen hatte.
Aufs Heck kam die Bezeichnung Horch Schlachtschiff 100 – wir wissen ja alle, daß das Wort “Audi” die lateinische Übersetzung von “Horch” bzw. “Höre” ist. Und da ich Latein in der Schule gehaßt habe, mich die Sprache 1 Jahr meines jungen Lebens gekostet hat (8. Klasse Gymnasium Reloaded), war es nur konsequent, da die deutsche Bezeichnung draufzuschreiben.
Als ich mit dem Wagen in meiner alten Heimat war und das chaotische Büro von Freunden (“Ultrance” in Kulmbach) besuchte, mußte ich ziemlich eng einparken. Es waren einfach nicht ausreichend Parkplätze da. Sehr zum Ärger des gegenüberliegenden Bewohners, oder war das ne Firma? Ich weiß es nicht mehr genau, nur, daß derjenige, der da aus seiner Ausfahrt mußte alles war, nur sicherlich nicht nüchtern. Und eh ich es mich versah, hatte er mir eine Heckleuchte zerstört. Als ich zum Wagen eilte, kam nicht etwa eine Entschuldigung, sondern ich bekam erst einmal einen Zusammenschiß, wie ich da parken könne, da wäre es ja verboten. Genau aus diesem Grund holte ich dann nicht die Polizei – zumal er versprach, die Leuchte zu bezahlen, wenn ich eine vom Schrott holen würde. Eine neue lohne ja nicht bei dem ollen Auto.
Ab und an ist man ein Schaf und macht das eben so. Also nach Budenheim zum Schrottplatz und eine Audi 100 Heckleuchte geholt. Und natürlich die verkehrte. Ich bekam eine Vorfacelift, ich hatte aber einen Nachfacelift. Daß es da Unterschiede gab merkte ich erst, als ich die Leuchte wechseln wollte. Zurück zum Schrottplatz, mir den nächsten Anschiß holen. Und mein Geld – denn eine passende Leuchte hatte er nicht. Was nun? eBay hat alles – nur gab es damals kein eBay. Was haben wir heute durch das Internet doch für gute Möglichkeiten der Ersatzteilsuche. Ich wußte aber, daß ein damaliger VW Händler, der heute ein Skodahändler ist, einen Audi 100 abgemeldet hinter dem Gebäude stehen hatte. Ich fragte frech, ob da ne Heckleuchte zu haben wäre und hatte Glück. Der Mann von der Ersatzteiletheke brach mit einem Schraubenzieher das Schloß auf und ich konnte gegen eine Spende in die Kaffeekasse die Heckleuchte mitnehmen.
So gut der Wagen noch im Blech war, so fertig war die Maschine. Scheiße, war die ausgelutscht. Und sie fing an RICHTIG zu zicken. Lauwarm war seine Betriebstemperatur – kalt und richtig warm mochte er nicht.
Sprich, wenn er kalt war, sprang er nicht an. Und wenn er mal warm geworden war, ging er ab und an auch mal unmotiviert mitten auf der Kreuzung aus und sprang erst wieder an, wenn er ein wenig abgekühlt war. Erstes Problem löste ich damit, daß ich grundsätzlich am Hang parkte und den Wagen anrollen lies. Leider ließ sich das nicht immer realisieren. So kam es zu so skurrilen Situationen, daß ich nach einem Discobesuch mitten im Winter hilflos an der Karre stand und leierte. Glücklicherweise war die Disse an einem Autohof und da machte gerade ein Konvoi der Bundeswehr Pause. “Herr Unteroffizier, ich habe auch gedient – könnten nicht ein paar Kameraden schieben?” – sie schoben.
Neben den Startschwierigkeiten kam der Ölverbrauch dazu. Der Wagen brauchte in der Woche min. 1 Liter Öl – egal, ob man fuhr oder nicht. Der Wagen funktionierte offenbar mit Verlustschmierung.
Werkstatt hatte ich keine – ok, in der alten Heimat die Doppelgarage, aber die war 350km weit weg – und wie schon erwähnt, das Internet hatte bei mir noch nicht Einzug gehalten. Heute fragt man sich in Foren durch, wenn man nicht weiter weiß, die Option gab es damals noch nicht. Ich bin erst online seit Ende 1995. Und Ende 1995 war das mit den Foren natürlich noch lange nicht so ausgebaut, wie heute. Da wurde ich noch als Freak bezeichnet, als ich mich geoutet habe, daß ich online bin…
Lange Rede, kurzer Sinn: Nachdem mehrere Nachbarn sich über die Ölgemälde auf der Straße beschwert hatten, mußte die Karre dringend weg. Ich hatte gehört, daß die alten Audi 100 Typ 43 in Russland wahnsinnig beliebt wären. Hielt das für dummes Geschwätz. Und als ich den Wagen inseriert hatte, wer kündigte sich an? Ein Russe.
Wir trafen uns an einem neutralen Ort, ich wollte nicht, daß der die Ölflecke sieht und auch sollte der Motor mittelwarm sein. Probefahrt lief super, der Wagen hat sich noch einmal zusammengerissen und den Käufer interessierte eigentlich nur, ob die Musik geht. Schließlich wolle er mit dem Auto nach Russland fahren auf eigener Achse. Mutiges Unterfangen. Ich ließ mich auf 500 DM runterhandeln und weg mit dem Wagen.
Der Horch war nur 4 Monate bei mir. Leider. Ich finde nach wie vor, daß der Typ 43 einer der schönsten jemals gebauten Audis ist…
Ein wirklich hervorragender wagen. Durfte im ersten Lebensjahr hinten Platz nehmen. Dann wurde der Audi zu teuer und er musste einem 78er Mazda 626 weichen. Beide Wagen haben etwas gemeinsam: Heute (vor allem der Mazda) in der CH nicht me^hr zu finden.
Grüsse aus der CH
Domi
Ich hab ja einen der Nachfolger. Mal ehrlich: Ein Audi 100 ist für einen pkw fast überdimensioniert. Und unpraktisch, da keine Bank umlegbar ist. Untergebracht habe ich aber bisher alles, was nur sperrig, abere nicht lang war. Versöhnt ist man spätestens, wenn man mit dem Ding fährt. So muss das sein. Nie wieder Kleinwagen.
ich hatte auch einen von der Sorte: als 5D. Für 350 Mark mit Kupplungsschaden gekauft. Gewaltige 70 PS zerrten an der Vorderachse. Aber er fuhr. Ein 200 D hatte keine Chance.
VW-Händler, der jetzt Skoda verscherbelt? Das kann nur der Becker sein, mit dem Peter Rudzki hinter der Theke. Auch mein Dealer No.1 für VW- und Audi-Teile.
Von dem Typ43 meiner Schwester hatte ich damals dem 85PS-Motor inkl. Getriebe in meinen Typ32 implantiert. Passte alles plug&play. Heute undenkbar. Einen grossen Rest des (manilagrünen!) Audis haben wir dann zusammengekehrt…
Adios
Michael
ReCaptcha: she Deffells ???
Man sollte die merkwürdigsten ReCaptcha-Vorschläge mal sammeln.
Gude Kle, falls Du noch Teile haben solltest, ich bin ein dankbarer Abnehmer =)
@mainzmichel: “merkwürdige” recaptcha-Vorschläge sind definitiv nicht überraschend, wenn man weiss, was hinter recaptcha steckt. es geht darum, gescannte (meist alte englischsprachige) Bücher sinnvoll zu digitalisieren. wenn die Texterkennungssoftware nicht mehr weiterkommt, muss halt ein dressierter, lesefähiger Affe die einzelnen Wörter entziffern. Das können nun Millionen von Internetusern stückchenweise mit jeder Kommentarabgabe auf zigtausend Webseiten als riesige amorphe Masse erledigen. Hier nachzulesen: http://www.google.com/recaptcha/learnmore
Ein schönes Auto war das damals, kam vor allem bei den Frauen gut an 🙂
So einen Wagen findet man heute nicht mehr auf der Strasse.