Heute kennt die rumänische Automarke Dacia jedes Kind. Billigautos aus dem Ostblock. Aber Dacia ist keine Erfindung der Neuzeit, Dacia gibt es schon lange und in der DDR war ein Dacia durchaus eines der besseren Autos.
Mein 1974er UAP Dacia 1300 war so ein Ex-DDR Auto. Er gehörte ursprünglich einem Arbeitskollegen in der Firma, in der ich Ferienjob machte. Der, oder seine Freundin, so genau weiß ich das nicht mehr, rutschte mit dem Wagen in den Straßengraben und verkaufte das Auto an den nächsten Arbeitskollegen für 250,- DM. Der reparierte den Unfallschaden leidlich, das Glas des Scheinwerfers auf der Fahrerseite klebte er einfach mit Pattex und rollte den ehemals blauen Wagen schwarz. Er wollte ihn anmelden, sah aber ein, daß er sich als Alleinverdiener mit 2 Kindern keinen Drittwagen leisten konnte. Der Wagen mußte weg. Und da DDR Autos im ehemaligen Zonenrandgebiet nun wirklich keine Sau haben wollte, konnte ich ihn für 280,- DM schießen. 8 Monate TÜV waren damals noch auf dem Konto. Ab da fuhr ich also einen rumänischen Renault 12 Nachbau.
Ich fand ihn damals nicht hübsch und ehrlich gesagt, auch heute finde ich die Form nicht wirklich gefällig. Aber er war schräg, ein Randgruppenauto und das machte ihn sympathisch. Ich veränderte sogar kaum etwas an dem Auto. Ich lackierte nur den Unterfahrschutz in Gelb – die Fläche hinterm Kühlergrill machte ich später auch noch schwarz, davon habe ich aber leider kein Bild.
Hinten bekam er die Bezeichnung “AEG Lavamat Injection”. Wer es nicht kennt: Der AEG Lavamat war eine Waschmaschine. Das war nicht etwa geplottet, soweit war ich damals noch nicht. Ich setzte das damals auf dem Computer mit Corel Draw! 2.0, druckte es spiegelverkehrt aus, klebte es auf die Rückseite von DC-Fix Folie aus dem Baumarkt, schnitt Buchstabe für Buchstabe mit der Nagelschere aus und klebte Buchstabe für Buchstabe auf.
Auch wenn der Wagen Baujahr 1974 war, der Innenraum versprühte den Charme eines 60er Jahre Autos. Da fand ich den richtig hübsch.
Der Dacia war von Anfang an Allround Einsatzfahrzeug. Wenn man in Oberfranken wohnt, Anfang 20 ist und gerne in Discotheken geht, dann muß man Kilometer schrubben. Auch dieser Wagen stand verstärkt vor Discotheken – immer möglichst nahe am Eingang. Damals hatten wir so einen Heinz Rühmann Tick. Legendär die Einsätze zusammen mit meinem Kumpel Essig. Im Eiltempo nach Kronach/Oberfranken, so daß wir noch vor 22 Uhr an die Tankstelle kamen, um uns eine Dose “Faxe” zu holen. Weiter ging?s zur Diskothek “Sunset” in einem Kaff bei Kronach – von uns liebevoll “Schweinebucht” genannt. Die Sitzfläche der Rücksitzbank herausgenommen und auf den Dachgepäckträger geworfen. Und da saßen wir dann manchmal den ganzen Abend – es soll vorgekommen sein, daß wir garnicht in der Disse drin waren. Und dabei lief den ganzen Abend eine Heinz Rühmann Kassette. Hach, war das herrlich krank. Bei schlechtem Wetter war der Innenraum genial.
Die Sitze ohne Kopfstützen konnte man komplett umlegen, wenn man sie nach vorne schob und hatte dann eine durchgehende Liegewiese. Ich habe auch mehrmals in der Karre übernachtet. Irgendwann drohte der Wagen seinen Endtopf zu verlieren. Endtopf für einen UAP Dacia 1300? Sowas hatte der Stahlgruber nicht. Ehrlich gesagt, wäre das auch uncool gewesen. Im Schein stand unter Geräusche mit einem herrlichen Buchstabendreher “kerine Werte vorhanden” – wenn das kein Freibrief war, was dann? Und es ist ja bekannt, daß in der DDR improvisiert wurde ohne Ende. Beim lokalen ATU hatten sie eine Gitterbox im Laden stehen mit neuen Sportendtöpfen ohne TÜV, Stückpreis 50,-DM. Ohne Papiere will sowas ja keiner haben, aber wenn man kerine Werte hat? Kurzerhand wurde so ein Topf drunter gebraten – gestört hat das nie einen. Gebracht hat es außer der Optik auch nix – egal. War billiger als ein Serientopf, wenn man denn einen bekommen hätte. Kontrolliert wurde ich mit dem Wagen übrigens nie – wohl aus Mitleid :. Ich hatte den Wagen noch, als ich im Oktober 1992 in Mainz das Studieren begann. Und natürlich fuhr ich auch meinen Umzug mit dem Wagen – alles im Kofferraum und auf dem Dachgepäckträger. Es geht, wenn man will. Zugegeben – damals war mein Hausstand noch nicht sehr umfangreich. Und wie das so ist, wenn man das Studieren beginnt: Die guten Freunde sind daheim und so wurde jedes 2. Wochenende in die Heimat gefahren. Der Dacia mußte bei jedem Wochenendtripp über 700km fressen. Und das eigentlich immer Vollgas ohne Rücksicht aus Verluste. Inzwischen waren beide hintere Federn gebrochen – wenigstens beidseitig ungefähr auf gleicher Höhe. Der Wagen stand gerade und das Fahrverhalten veränderte sich eigentlich nicht wirklich.
Die Vollgasorgien nahm mir der Motor übel. 1300ccm und 54PS sind eben kein Rennwagen – ich fuhr ihn aber so. Irgendwann zerlegte es die Kopfdichtung. Ich wohnte damals in einer Art Studentenwohnheim und einer der Mitbewohner war Pole. Der brachte mir aus Polen eine neue Kopfdichtung mit. Preis: 5,-DM. Und ich bin mir sicher, er hat daran noch etwas verdient :. Der Wechsel fand auf der Auffahrt zum Studentenwohnheim statt. Ich war ehrlich erstaunt, daß nach der Reparatur der Wagen spontan ansprang. Die Freude war aber von kurzer Dauer. Ich weiß nicht, was ich verkehrt gemacht habe. Damals hatte ich noch nicht den großen Plan, was Autotechnik anging. Vielleicht hatte der Dacia Dehnschrauben, wie VW, die ich mitwechseln hätte sollen, oder meine Angaben des Anzugdrehmoments stimmten nicht. Die Reparatur hielt aber sensationelle 22 km lang, dann war die Dichtung wieder durch. Durch war auch meine Lust an dem Wagen, er nervte in letzter Zeit doch zu sehr mit Unzuverlässigkeit. Zwar war der TÜV noch nicht ganz runter, aber für mich hatte sich das Thema erledigt. Ich meldete den Wagen ab und rief den Schrotti an, er solle den Wagen holen. Wir haben ihn aber noch würdig verabschiedet. Wir waren auf einer Party mit Kleiderordnung, waren im Anzug unterwegs und kamen mit dem Taxi zurück. 4 aufgebrezelte Studenten steigen aus, gehen zu dem Dacia und demolieren den Wagen mutwillig. Schnell nochmal ein paar Dellen reingetreten, auf Dach und Motorhaube rumgesprungen, um dann einfach ohne sich umzusehen weiterzugehen. Am nächsten Morgen war der Wagen weg – der Schrotti hatte ihn geholt. Das war auch besser so – ich hatte noch keine guten Nebenjobs, das Ersparte war aufgebraucht, die Kasse war leer. Wirklich leisten konnte ich mir den Unterhalt des Wagens nicht. In der Folgezeit fuhr ich erst einmal Schwalbe.
Autos hatte ich zu dem Zeitpunkt gleich drei: Den VW 1600TL, den VW 1600 Variant und den Pappsatt. Aber ich mußte mir ehrlich eingestehen, daß ich es mir ohne Nebenjob einfach nicht leisten konnte, Auto zu fahren. Eine harte Zeit für einen Autojunkie, wie mich…