Der morbide Charme vs. der Internet Schnappermentalität

Ich bin ja der festen Meinung, dass der Natur überlassene Autowracks einen ganz eigenen Charme haben. Ich glaube, hätte ich einen eigenen Garten, ich würde mindestens einen eh unrettbaren Wagen ohne Flüssigkeiten irgendwo in eine Ecke stellen und warten, bis die Natur ihn komplett erobert hat. Also sicherlich nicht ein gutes Auto hinstellen, aber ich hab ja inzwischen genug Autos Quadern lassen, die als Skulptur noch getaugt hätten.

Und ich freue mich immer wieder über Bilder von Funden, wo in Hinterhöfen, Gärten, Waldgrundstücken sich solche Autos finden. Sicher haben schon einige von Euch Bilder von Schrottplätzen in Schweden gesehen – wenn nicht, googelt einmal danach, es lohnt sich.

Rotten Käfer

Die Leidenschaft teilen offenbar sehr viele Leute. Auf Facebook gibt es eine Gruppe mit dem Namen “Vergessene Auto-Klassiker / Rotten Cars“. Interessant, was andere Leute so überall gefunden haben. Und auch schöne Geschichten dabei. Eine gefällt mir besonders gut. Da steht ein inzwischen halb eingewachsener, auf Aufforderung des Ordnungsamtes trockengelegter und seitdem geduldeter Golf 2 vor einem Haus. Abgemeldet, die Kennzeichen sind aber noch dran. Im Innenraum steht inzwischen das Wasser. Die Karosserie dem Verfall preisgegeben. Als der Wagen da abgestellt wurde, war er fahrbereit und hatte einen gewissen finanziellen Wert. Der ist heute nur noch ideell – und genau dieser ideelle Wert macht dieses Auto aus. Hintergrundgeschichte: Der Wagen steht vor dem Haus der Schwester des ursprünglichen Besitzers. Der ist bei einem Motorradunfall ums Leben bekommen. Und sein Golf steht vor dem Haus als Symbol, dass er im Gedanken immer noch bei seiner Familie ist. Tolle Geschichte finde ich. Und tausendmal mehr wert, als der materielle Wert, den der Wagen beim Abstellen dargestellt hat.

Da so eine Gruppe ein Geben und Nehmen ist, habe ich auch einige Bilder eingestellt und ich muss sagen, das war ein Fehler. So stellte ich ein paar Bilder ein von der Halle aus der ich 2004 die Basis für den 5ender geborgen habe.

Halle

Halle

Ich finde solche Hallen, in denen Sammlungen verschimmeln einfach spannend. Und in dem Fall ist Verschimmeln wörtlich zu sehen. Denn die Halle hatte ein undichtes Dach und das war keine gute Unterstellmöglichkeit, sondern eine Tropfsteinhöhle. Hätte ich den Passat da damals nicht herausgeholt, es gäbe ihn schon lange nicht mehr. Und ich befürchte, all die anderen Autos, die da damals standen und vielleicht heute noch stehen, sind inzwischen einfach Kernschrott.

Ich finde es schade, aber den Blick in diese Halle fand ich trotzdem so spannend, dass ich gerne andere daran teilhaben lassen wollte.

Ich hatte aber nicht geahnt, was passieren würde, nachdem ich das gepostet habe. Obwohl ich dazugeschrieben hatte, dass ich nicht mehr weiß, wo das genau war und dass die Bilder 10 Jahre alt sind: Ich wurde bombardiert mit PNs, Kommentaren etc. mit Fragen, wo das ist, was die Autos kosten würden etc.

Ich hatte mich am Anfang gewundert, dass ich unter manchen Bildbeiträgen von verärgerten Usern Kommentare gelesen habe, dass sie nicht verraten, wo Bilder entstanden sind, weil das andere versaut haben. Inzwischen verstehe ich es. Es gibt im Internet einfach zu viele Menschen, die sich nicht die Mühe machen, Texte zu Bildern zu lesen, sondern der Meinung sind, da hat einer Bilder eingestellt und jetzt muss er alles dazu wissen und sich gefälligst die Zeit nehmen, alle Mails dazu zu beantworten.

Irgendwie denken alle, da steht etwas ungenutzt herum, das lässt sich billig schießen. Die Erfahrung zeigt aber, das steht hauptsächlich deshalb da herum, weil es sich nicht billig schießen lässt. Oft haben die Besitzer eine total verschobene Meinung davon, was ihr Schrott wert ist. Oder sie haben eine emotionale Verbindung zu den Fahrzeugen, weshalb sie sich einfach nicht trennen wollen. Auch wenn diese vollkommen irrational ist.

Und vieles sieht auf teilweise schlecht aufgelösten Bildern im Internet eben einfach besser aus, als es in Wirklichkeit ist. Was oft wie ein rettbarer Klassiker aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen maximal als Teileträger.

Meine Konsequenz ist: Ich werde solche Bilder in dieser Gruppe auf Facebook einfach nicht mehr einstellen.

Um nochmals auf das Thema verrottender Klassiker in der Natur zurückzukommen. Oft denke ich mir, warum lässt man den in den 60ern achtlos im Wald abgestellten Käfer nicht einfach im Wald liegen, wenn sich der Aufbau eh nicht mehr lohnt. So erfreut er Spaziergänger, die dann mutmaßen dürfen, welches Baujahr er ist und was der Käfer wohl so alles erlebt hat und wie er an diese Stelle gekommen ist. Die Umwelt belastet der inzwischen lange nicht mehr und so haben viele Leute Freude an den rostigen Fragmenten.

Irgendwann muss ich auch einmal nach Schweden zu diesen legendären Schrottplätzen, wo Bäume durch 50er Jahre Klassiker wachsen, weil sie einfach nicht wie in Deutschland zwangsgeräumt wurden. Nicht, um zwanghaft irgendwas davon retten zu wollen, sondern um diesen tollen morbiden Charme zu genießen, wie die Natur sich nach und nach diese ehemalig glänzenden Fahrzeuge nach und nach einverleibt. Das haben schon einige aus meinem Bekanntenkreis auch gemacht und sie waren alle ziemlich fasziniert…

12 thoughts on “Der morbide Charme vs. der Internet Schnappermentalität

  1. Das stimmt leider, kenne das nur zut gut. Da stellt man mal ein paar Fotos rein und es dauert keine 15 min. schon kommen die ersten an und fragen wo der steht und das man da noch Teile von braucht ect. Dazu gesellen sich noch Leute die dann diskutieren ob ein Aufbau noch lohnt oder nicht und das alles nimmt kein Ende.

  2. Ey –hat der Kadett noch Tuev–kann ich den auf eigener Achse abholen–was kostet der??-wo steht der–kannst du mir den nicht bringen–mir sind die 30 km zum Ansehen zu weit–machst du mir bitte Bilder vom Handschuhfach–linke Ecke oben
    kann beliebig fortgesetzt werden:-)))))

  3. KLE , der heutig Eintrag könnte echt von mir sein !
    Da stehen wir echt auf einer Wellenlänge .
    Habe auch schon mal überlegt Bilder auf der Facebookseite einzustellen es mir aber aus deinen genannten Gründen doch verkniffen ….
    Ahnte das bereits .
    Kannst echt keinem mehr was erzählen sogar im engen Kreis muss du bereits aufpassen .

    Letzte Woche z.B hat ein Schrotti bei meinen Eltern geklingel und wollte mich von meinem 1er Granada erlösen der ohne Schilder fürn paar Tage auf der Wiese stand , weil meine Eltern neues Dach bekommen .
    Geld für die “Entsorgung” hätte der wohl auch genommen .
    Der wird jetzt wohl wieder Wochenlang versuchen den zu bekommen , wie schon öfter ….
    Muss den wohl mal wieder verstecken .

    In Belgien gabs mal einen ganzen Wald voll Altautos wenn ich nicht irre 30iger-60iger Jahre und viele Amis.
    Leider wurde der von den Behören geräumt und ich konnte damals nicht mehr hin .

  4. Es ist derzeit ein verstäkter Run auf Wracks zu bemerken. Dabei erzielen die Veräußerer mitunter Preise, die in keiner Realtion zu den aktuell duchaus relativ hohen Preisen für exzellente Oldies gefordert werden. Es gibt hierfür zahlreiche Ursachen, darunter gewiss auch die Tatsache, dass man alte Autos leichter klauen kann als neue. Wenn man also ein gutes altes Auto mehr oder weniger gratis an der Hand hat, dann kann man schon etwas ausgeben, um an Papiere zu kommen. Vereinzelt kaufen aber tatsächlich irgendwelche Träumer den Schrott auf, die noch keinerlei Vorstellung haben, worauf sie sich da einlassen. Selbst schuld…

  5. Interessant ist auch, wenn man ein Fahrzeug anbietet, was zB in so einer Halle wie die auf KLE´s Foto steht, dann schaut sich der ein oder andere das Teil ja auch an (verständlicherweise). Wie der Zufall es will, hat man aber über kurz oder lang ungebetenen Besuch und einige Teile bekommen Beine.
    Aber zum Thema:
    http://www.oocities.org/motorcity/lane/4732/
    Da kann ich auch stundenlang surfen.

  6. Ein super Beitrag! Auch mir sprichst du aus der Seele. Warum kann man nicht einfach mal alte Autos dort stehen und verrotten lassen, wenn die Besitzer es nicht anders wollen? Es gibt genug gut erhaltene alte Autos!!! Das wird jeder Oldtimerbesitzer noch in den kommenden Jahren merken, sofern er nicht ein gefragtes, seltenes Modell hat.
    Ich habe auf dieser Facebook-Seite nicht ohne Grund bisher auch noch keine Bilder eingestellt, außer die Wagen stehen in Südostasien. Mich nerven die Fragen nach dem Standort und der Möglichkeit eines Erwerbs auch gewaltig.
    Aber eigentlich ist es nur wie überall im Netz: Viele Laberköppe, die sich im Ernstfall teilweise nicht mal die Anhängermiete leisten können, um den Schrotthaufen ggf. nach Hause zu transportieren. Hätte ich mehr Platz, würde ich auch alles, was ich nicht mehr fahre, einfach vergammeln lassen. Allein, um mir den Stress mit kommunikationsunfähigen Kaufinteressenten zu ersparen.

    Gruß, wfe

  7. Den Platz in Chatillon (Belgien) hab ich etwa 3 Wochen zu spät besucht.War gerade geräumt worden.(NEEIIIIIIIN!!!)
    Das passiert mir nicht nochmal.Darum habe ich mir ganz fest vorgenommen nächstes Jahr nach Schweden zu fahren.Vielleicht könnte man ja ne Tour unter Bloglesern auf die Kette kriegen?Überlegts euch mal…hab übrigens noch Bilder von der Tour und dem einsamen Cortina der noch übrig war.
    Bilder von Traction Sud kann ich auch noch liefern da war ich am selben Tag ebenfalls.Bei interesse meldet euch.

  8. Ich kann es schon nachvollziehen, dass viele Besitzer ihre Autos lieber “in Würde” altern lassen wollen, anstatt sie einfach nur wegzugeben oder verschrotten zu lassen. Den Charme solch alter Autos in der Natur empfinde ich eigentlich auch so. Mich haben damals schon die Fotos der Flugzeugfriedhöfe in Amerika immer sehr fasziniert und ich wollte immer mal dorthin, um mir mal einen anzusehen.

  9. Na ja, was ich von Facebook halte, kannst Du Dir sicher denken…
    Vielleicht war es aber auch ein Fehler deshalb, weil der Besitzer dieser „Sammlung“ (Du weißt, ich kenne ihn) keinesfalls vorhatte, die Autos vergammeln zu lassen, denn die ungeeignete Unterkunft war wohl vielmehr der klammen Kasse geschuldet. Der Vergleich mit in Wald, Wiese und Garten abgestellten Fahrzeugen hinkt daher etwas. Inzwischen sind übrigens noch einige der Autos, auch von denen aus den späteren ungeeigneten Unterkünften (feuchte Bunker) in Hände verkauft worden, die sie herrichten und erhalten. Und es stehen z.Zt. sogar zwei weitere davon ganz offiziell im Netz zum Verkauf.
    Wenn Du mal in „morbidem Charme“ schwelgen willst, musst Du nicht unbedingt nach Schweden. Dann kommst Du mal zu mir, und wir machen einen kleinen Ausflug ins Dickicht…

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