TÜV Diskussionen

Es wäre naiv zu denken, dass die Geschichte mit dem ColdRod TÜV technisch ein Spaziergang wäre. Bei kritischen Fragen schließe ich mich immer mit „meinem“ Prüfer kurz und frage vorsichtshalber, ob das geht. Es ist wirklich vieles eher schwierig überhaupt per §21 eingetragen zu bekommen und ich bin mehr als glücklich einen Prüfer an der Hand zu haben, der da überhaupt Lust drauf hat. Und der macht auch nicht alles. Wie oft habe ich gehört, dass gewisse Dinge doch problemlos einzutragen wären, er aber abgewunken hat. Und ich akzeptiere das auch. Er muss die Eintragungen dokumentieren und die Zulässigkeit muss irgendwie belegt werden.

Für mich die wichtigsten Regeln beim TÜV:

  1. Den TÜV nicht als Gegner ansehen/behandeln, sondern ein Team mit dem Prüfer bilden.
  2. Je mehr man selbst recherchiert vorab, desto leichter wird die Abnahme. Zudem freut sich jeder Prüfer, wenn man vorbereitet ankommt und nicht einfach Kopf durch die Wand und ihm die ganze Recherchearbeit überlässt. Da hat auch nicht jeder Prüfer Lust drauf.

Beim Split Window dachte ich mir: Das ist vollkommen safe. Gab es ja bei diversen Fahrzeugen, wieso sollte das also nicht zulassungsfähig sein. Beim letzten Blogeintrag schrieb ich, dass ich eventuell einen Überhang machen wollte über der Scheibe, so wie ihn der VW T1 Bus hat.

Beim T1 ist da noch eine Lüftung drin, auf die kommt es mir aber nicht an. Mir geht es um die Optik. Und da kam in den Kommentaren die Frage auf: „Wäre so ein Überhang heute überhaupt noch zulässig? Von wegen Fußgängerschutz.“

Erst einmal grundsätzlich: Es gelten für ein Fahrzeug die Zulassungsvorschriften, die bei der Erstzulassung gültig sind. Irgendwann hat mal einer zusammengeschrieben, was das beispielsweise bedeutet:

    • 70/220/EWG vor 20.04.1973 Kurbelgehäuseentlüftung darf ins Freie gehen
    • § 22a StVZO ab 01.01.1954 BAG* Pflicht für Schluss- und Bremsleuchten, sowie für Rückstrahler
    • § 22a StVZO ab 01.01.1954 BAG Pflicht für Scheinwerfer für Fern- und Abblendlicht
    • § 22a StVZO ab 01.01.1954 BAG Pflicht für Kennzeichenbeleuchtung, Begrenzungs- und Parkleuchten
    • § 22a StVZO vor 01.01.1954 Keine BAG Pflicht für Einrichtungen zum Verbinden von Fahrzeugen
    • § 22a StVZO vor 01.01.1954 Keine BAG Pflicht für lichttechnische Einrichtungen
    • § 22a StVZO ab 01.04.1957 BAG Pflicht für Sicherheitsglas
    • § 22a StVZO ab 01.04.1957 BAG Pflicht für Fahrtrichtungsanzeiger
    • § 22a StVZO ab 01.01.1961 BAG Pflicht für Glühlampen für Scheinwerfer mit asymmetrischem Abblendlicht
    • § 22a StVZO ab 01.01.1961 BAG Pflicht für Nebelscheinwerfer
    • § 22a StVZO ab 01.04.1961 BAG Pflicht für Zusatzheizungen (ausgenommen Warmwasser- und elektrische Heizungen)
    • § 22a StVZO ab 01.04.1961 BAG Pflicht für Sicherheitsgurte
    • § 22a StVZO ab 01.01.1962 BAG Pflicht für Heizungen (ausgenommen Warmwasser- und elektrische Heizungen)
    • § 22a StVZO ab 01.01.1986 BAG Pflicht für Rückfahrscheinwerfer (müssen an Fz. mit EZ ab 01.01.87 verwendet werden)
    • § 22a StVZO ab 01.10.1998 BAG Pflicht für Luftreifen
    • § 30b StVZO ab 01.10.1989 Berechnung des Hubraums pi = 3,1416, Bohrung u. Hub in mm, runden auf eine Stelle nach dem Komma
    • § 35a StVZO ab 01.04.1970 Sicherheitsgurte auf den vorderen Sitzen erforderlich
    • § 35a StVZO ab 01.05.1979 Sicherheitsgurte auf den hinteren Sitzen erforderlich
    • § 35a StVZO ab 01.01.1988 Pflicht für Dreipunktgurte hinten
    • § 35a StVZO ab 01.01.1992 Verankerungspunkte für Sicherheitsgurte müssen 76/115/EWG entsprechen
    • § 35c StVZO vor 01.01.1956 Keine Heizung und Lüftung im geschlossenen Pkw erforderlich
    • § 35e StVZO vor 01.07.1963 Hinten angeschlagene Türen zulässig
    • § 36a StVZO vor 01.01.1962 Keine genaue Definition über Radabdeckungen (keine heutigen Maßstäbe anlegen)
    • § 38a StVZO ab 01.01.1962 Diebstahlsicherung rückwirkend für alle erforderlich
    • § 38a StVZO vor 01.01.1962 Sicherung gegen unbefugte Benutzung durch loses Zubehör (nur mit Ausnahmegenehmigung)
    • § 38b StVZO ab 01.10.1998 Pkw Alarmsysteme müssen RL 74/61/EWG entsprechen
    • § 40 StVZO vor 01.01.1957 Keine Kennzeichnungspflicht für Sicherheitsglas
    • § 41 StVZO ab 01.01.1991 Bremsanlage von Pkw muss RL 71/320/EWG entsprechen
    • § 43 StVZO ab 01.10.1974 Abschleppöse vorn erforderlich, wenn Anhängelast, dann auch hinten erforderlich
    • § 47a StVZO ab 01.07.1969 Pkw mit Ottomotor AU pflichtig
    • § 47a StVZO ab 01.01.1977 Pkw mit Dieselmotor AU pflichtig
    • § 50 StVZO ab 01.08.1988 Hauptscheinwerfer Anbauhöhe untere Spiegelkante größer / gleich 500 mm, oberster Punkt leuchtende Fläche kleiner / gleich 1250 mm
    • § 50 StVZO ab 01.01.1990 Leuchtweitenregulierung erforderlich
    • § 52a StVZO ab 01.01.1987 Pflicht für Rückfahrscheinwerfer
    • § 53 StVZO vor 01.07.1961 Eine Bremsleuchte zulässig
    • § 53 StVZO vor 01.01.1983 Bremslicht auch gelb zulässig
    • § 53 StVZO vor 01.01.1983 Brems- und Blinklicht als Baueinheit zulässig (Einkammerleuchte)
    • § 53 StVZO vor 01.01.1986 Getrennte Absicherung von Schlussleuchten oder sinnfällige Ausfallanzeige erforderlich
    • § 53 StVZO ab 01.01.1986 Getrennte Absicherung von Schlussleuchten erforderlich
    • § 53d StVZO ab 01.01.1991 Nebelschlussleuchte erforderlich
    • § 54 StVZO vor 01.01.1970 Fahrtrichtungsanzeiger auch rot zulässig
    • § 54 StVZO vor 01.04.1974 Winker mit gelben Blinklicht zulässig
    • § 54 StVZO vor 01.04.1974 Gelbe Pendelwinker zulässig
    • § 55a StVZO ab 01.01.1962 Funkschutzzeichen für Funkentstörung erforderlich
    • § 57 StVZO ab 01.01.1991 Geschwindigkeitsmesser muss RL 75/443/EWG entsprechen
    • § 59 StVZO vor 01.04.1952 Ort der Anbringung des Fabrikschildes beliebig
    • § 59 StVZO vor 01.04.1952 Angabe des Fahrzeugtyps auf dem Fabrikschild nicht erforderlich
    • § 59 StVZO vor 01.10.1969 FIN** darf auch eingraviert sein
    • § 59 StVZO vor 01.10.1969 FIN auch auf genietetem Schild zulässig

*BAG = Bauartgenehmigung
** FIN = Fahrzeug-Identitätsnummer

Bedeutet für den ColdRod mit einer EZ 1980 beispielsweise, dass ich theoretisch weder Rückfahrscheinwerfer noch Nebelschlussleuchte brauche. Gut auch, dass ich auf die Leuchtweitenregulierung verzichten kann. Und ich habe auch keine Mindesthöhe für die Scheinwerfer. Aber natürlich steht da nichts drin über einen Dachüberhang. Das ist zu speziell.

Aber gut, eventuell spricht tatsächlich etwas gegen einen Dachüberhang. Also schrieb ich dem Prüfer, was er dazu sagt und seine Antwort gefiel mir garnicht: Denn er antwortete erst einmal nicht zum Dachüberhang, sondern er äußerte Bedenken, ob eine geteilte Frontscheibe überhaupt zulässig wäre. Oha! Mit der Aussage hatte ich nicht gerechnet. Aber: Er klärt das ab. Aber wenn man drüber nachdenkt, hat er natürlich Recht: So ein Steg beeinflusst das Sichtfeld, das könnte schon TÜV relevant sein.

Parallel ging ich auf Recherche. Gab es denn Fahrzeuge EZ 1980 und jünger mit geteilter Windschutzscheibe? Ja, gab es, beispielsweise den Landrover Serie 3. Gebaut bis 1984.

Aber es gab sie auch in Umbauten, wie beispielsweise den Orion Wohnmobile und natürlich den UPS Transportern.

Ich konfrontierte den Prüfer mit diesen Erkenntnissen. Er hatte aber auch schon parallel recherchiert und gab grünes Licht: O.k. ich kann bauen unter der Voraussetzung, dass der Steg möglichst schmal wird. Die Gnade der frühen Erstzulassung.

Und was ist jetzt mit dem Überhang des Dachs? Über Punkte, wie Kantenrundung brauchen mein Prüfer und ich jetzt nicht mehr diskutieren. Das ist mit eh klar, dass da keine scharfen Kanten sein dürfen. Dieses Wissen setzt der Prüfer eh als Wissen voraus. Er meinte, das einzige sonstige Kriterium wäre, dass die Sicht zur hoch hängenden Ampel, wenn ich an der Haltelinie stehe, sollte nicht beeinträchtigt werden. Aber wenn ich den Überhang so dezent wie beim T1 Bus mache, sieht er da kein Problem.

Ich hatte schon etwas Panik, dass ich eine durchgehende Scheibe bauen muss. Wäre auch gegangen, aber der Gag wäre weg. Aber so ist alles geklärt, ich kann weiterbauen. Bis zum nächsten Problem, bei dem ich mir unsicher bin…

9 thoughts on “TÜV Diskussionen

  1. Neben der geteilten und zusätzlich gepfeilten Frontscheibe hat der UPS-Truck sogar noch nen Überhang.
    Allerdings wohl kaum Fußgänger-gefährdend: Nicht mal, wenn KLE der Fußgänger wäre. +g+

  2. Das Ding nennt sich zwar Alkoven (hat ja nichts mit saufen zu tun), aber das wollte ich auch schreiben. Die hängen ja massiv über die Frontscheibe.

  3. Aber üblicherweise sind Alkoven an WoMos auf Transporter-Basis, also relativ hoch, wo Fußgänger bei Unfällen nicht dadurch zu Schaden kommen sollten.
    Anders bei Dachüberhängen bei Wohnkabinen für Pickups oder an umgebauten PKW.

    Die gabs ja auch und vielleicht wäre das ein Argument beim TÜV.

  4. Googelt mal „Bischofberger Wohnmobil“ und seht Euch die Bilder an… Aber ich denke, dass die Gattung „Wohnmobil“ da andere Vorschriften hat. Obwohl auch hier die Sicht auf eventuelle Ampeln durch den spitzen Winkel gegeben ist.
    Aber ist doch eh‘ egal, der TÜV-Mann hat doch grob grünes Licht gegeben.

    Adios
    Michael

    1. Wäre vielleicht generell ganz interessant zu wissen, ob eine Einstufung als so.kfz wohnm. Vorteile oder andere Erleichterungen mit sich brächte. Ne Matratze ist ja schnell hinten reingeworfen.

      1. Das kannst Du vergessen. Es bedarf es weit mehr als nur einer Matratze und rein versicherungstechnisch ist es schweineteuer. Daher würden viele Van-Camper ihr Wohnmobil lieber als LKW einstufen lassen, aber auch da sind die Auflagen nicht ohne.

        Adios
        Michael

  5. Zu der Liste wann was wie und wo Vorschrift ist: Gilt natürlich nur für „Westfahrzeuge“.
    In der DDR gabs da andere Fristen und Vorgaben.

  6. Das Thema Sichtfeld hatte ich auch einmal auf meinem Zettel zum TopChop.
    Aber:
    Setzt euch mal alle (nicht auf einmal) in den neuen Mini. Da sieht kein Mensch in erster Reihe stehend, die Ampel!
    War dann auch beim TopChop kein Thema mehr.

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